Systeminnovation und Ökosysteminnovation: Der Weg zu einer Kreislaufwirtschaft in Europa

Die Kreislaufwirtschaft (CE) ist ein Nachhaltigkeitsrahmen, der darauf abzielt, Abfall zu minimieren und Produkte, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich im Gebrauch zu halten – im Gegensatz zur traditionellen linearen Wirtschaft des „Nehmen, Herstellen, Wegwerfen“. Um diese Transformation zu erreichen, sind bedeutende Veränderungen in gesellschaftlichen, technologischen und institutionellen Strukturen erforderlich, die auf den Konzepten der Systeminnovation und der Ökosysteminnovation basieren. Die Systeminnovation konzentriert sich auf die Umgestaltung ganzer soziotechnischer Systeme, während die Ökosysteminnovation die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren – Unternehmen, Regierungen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft – betont, um nachhaltige Lösungen gemeinsam zu entwickeln und zu skalieren. Diese Analyse untersucht, wie diese beiden Konzepte die Kreislaufwirtschaft in Europa vorantreiben, indem konkrete Beispiele hervorgehoben und Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur integriert werden.

    1. Systeminnovation: Transformation soziotechnischer Systeme

Systeminnovation bezieht sich auf groß angelegte Transformationen in soziotechnischen Systemen und umfasst Veränderungen in Technologie, Governance und gesellschaftlichen Praktiken. Im Gegensatz zu inkrementellen Verbesserungen zielt die Systeminnovation darauf ab, bestehende Systeme neu zu konfigurieren, um Übergänge zur Nachhaltigkeit zu ermöglichen (Elzen et al., 2004). Diese Transformationen sind besonders relevant in Bereichen wie Abfallwirtschaft, Energie und Mobilität, wo die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft am dringendsten benötigt werden (Bocken et al., 2014, S. 45).

In Europa steht die Systeminnovation im Mittelpunkt der Bemühungen, die Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Zum Beispiel wurde die Kreislaufwirtschaftsstrategie der Niederlande (2050) entwickelt, um Produktions-, Konsum- und Abfallwirtschaftssysteme zu transformieren, indem Innovationen im Recycling, im Produktdesign und in der Ressourceneffizienz gefördert werden (Rijkswaterstaat, 2016). Die Strategie betont eine umfassende, systemweite Transformation, um die niederländische Wirtschaft bis 2050 zirkulär zu gestalten. Studien zeigen, dass Strategien der Kreislaufwirtschaft, insbesondere in Sektoren wie Bauwesen und Fertigung, technologische Fortschritte und institutionelle Veränderungen erfordern, um langfristige Nachhaltigkeit zu ermöglichen (Bocken et al., 2017, S. 73).

Ebenso betont die Kreislaufwirtschaftsstrategie Dänemarks (2018) die Bedeutung der Systeminnovation bei der Transformation von Sektoren wie Bauwesen und Lebensmittelproduktion, wobei die Regierung Unternehmen dazu anregt, Abfall zu reduzieren und zirkuläre Praktiken zu übernehmen (Ministry of Environment and Food of Denmark, 2018, S. 4). Die dänische Strategie zeigt, wie technologische Innovation in Kombination mit institutionellen Reformen erforderlich ist, um die Kreislaufwirtschaft auf nationaler Ebene voranzutreiben.

Auf europäischer Ebene fordert der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft (2020) eine Systeminnovation, um das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung zu entkoppeln – ein zentraler Pfeiler der nachhaltigen Wachstumsagenda der EU. Der Plan plädiert für systemweite Änderungen im Produktdesign, in der Abfallwirtschaft und im Recycling, um eine nachhaltigere und zirkuläre Wirtschaft zu schaffen (Europäische Kommission, 2020). Der Europäische Green Deal verstärkt dies, indem er die Notwendigkeit systemweiter Transformationen in Produktions- und Konsummustern betont, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen (Europäische Kommission, 2019).

    2. Ökosysteminnovation: Kollaborative Netzwerke für zirkuläre Lösungen

Während die Systeminnovation auf die Transformation einzelner Sektoren oder Industrien abzielt, konzentriert sich die Ökosysteminnovation auf Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen verschiedenen Akteuren. Ökosysteminnovation bezieht sich auf die Entwicklung von Netzwerken, in denen Unternehmen, Regierungen, Forschungseinrichtungen und die Zivilgesellschaft gemeinsam Lösungen für komplexe Probleme erarbeiten (Granstrand & Holgersson, 2020, S. 4). Im Kontext der Kreislaufwirtschaft spielt die Ökosysteminnovation eine entscheidende Rolle bei der Skalierung von zirkulären Praktiken und deren Integration in die Mainstream-Wirtschaft.

Der Fahrplan für die Kreislaufwirtschaft Finnlands (2016) ist ein starkes Beispiel für Ökosysteminnovation in der Praxis. Der Fahrplan fördert die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Sektoren, um Innovationen in Industrien wie Forstwirtschaft und Fertigung voranzutreiben, mit dem Ziel, nachhaltige Geschäftsmodelle und zirkuläre Technologien zu entwickeln, die weltweit skalierbar sind (Sitra, 2016). Die finnische Strategie basiert auf der Schaffung von Innovationsökosystemen, die Unternehmen mit akademischen Institutionen und Regierungsbehörden verbinden, um groß angelegte zirkuläre Übergänge zu fördern (Korhonen et al., 2018, S. 549).

In Schweden legt die nationale Strategie für Kreislaufwirtschaft (2020) den Schwerpunkt auf Partnerschaften zwischen Unternehmen, Universitäten und Regierungsbehörden, um zirkuläre Innovationen in Schlüsselbereichen wie Textilien, Kunststoffe und Lebensmittelsysteme voranzutreiben (Schwedisches Umweltministerium, 2020). Die Ökosysteminnovation steht im Mittelpunkt des schwedischen Ansatzes und schafft Synergien zwischen den Sektoren, um zirkuläre Lösungen durch kollaborative Netzwerke zu verbreiten. Diese Strategie spiegelt Forschungsergebnisse wider, die zeigen, dass sektorübergreifende Partnerschaften und koordinierte Anstrengungen wesentlich sind, um die Komplexität des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft zu bewältigen (Geissdoerfer et al., 2017, S. 764).

Auf Ebene der Europäischen Union spielen die Forschungs- und Innovationsprogramme Horizon 2020 und Horizon Europe eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Ökosysteminnovation. Diese Programme finanzieren Projekte, die verschiedene Akteure aus unterschiedlichen Ländern und Sektoren zusammenbringen, um Nachhaltigkeitsherausforderungen, einschließlich des Übergangs zur Kreislaufwirtschaft, zu bewältigen (Europäische Kommission, 2017). Die Initiative für zirkuläre Städte und Regionen (CCRI) unterstützt auch lokale Innovationsökosysteme, indem sie Gemeinden, Unternehmen und Universitäten verbindet, um zirkuläre Lösungen in städtischen Umgebungen umzusetzen (Europäische Kommission, 2020).

    3. System- und Ökosysteminnovation in der Praxis: Europäische Fallstudien

Mehrere europäische Länder und Städte haben erfolgreich System- und Ökosysteminnovationen umgesetzt, um Übergänge zur Kreislaufwirtschaft zu fördern. Diese Initiativen zeigen, wie die Konzepte in der Praxis angewendet werden, beginnend mit Innovationen in spezifischen Sektoren und erweitert durch Zusammenarbeit, um breitere systemische Veränderungen zu schaffen.

In Amsterdam hebt die Strategie Circular 2020-2025 die Ökosysteminnovation auf Stadtebene hervor. Die Strategie umfasst Partnerschaften zwischen der lokalen Regierung, Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um Innovationen der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen, in der Stadtplanung und in der Abfallwirtschaft umzusetzen (Stadt Amsterdam, 2020). Durch den Aufbau eines unterstützenden Innovationsökosystems kann Amsterdam Nischeninnovationen – wie nachhaltige Baumaterialien – zu systemischen Veränderungen skalieren, die sowohl der Umwelt als auch der lokalen Wirtschaft zugutekommen (Frantzeskaki & Loorbach, 2017, S. 608).

In Deutschland stellt das Kreislaufwirtschaftsgesetz (2012) einen wichtigen Schritt in der Systeminnovation dar, da es das Abfallwirtschaftssystem des Landes durch die Förderung von Recycling und Ressourceneffizienz neu gestaltet (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2012). Aufbauend darauf erleichtert das Ressourceneffizienzprogramm Deutschlands (ProgRess II) die Zusammenarbeit zwischen Regierung, Industrie und Wissenschaft, um zirkuläre Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln (UBA, 2016). Dieser systemische Ansatz steht im Einklang mit Forschungsergebnissen, die zeigen, dass Systeminnovation sowohl technologische Fortschritte als auch institutionelle Unterstützung erfordert (Markard et al., 2012, S. 958).

Das französische Anti-Abfall-Gesetz und Gesetz für Kreislaufwirtschaft (2020) integriert sowohl System- als auch Ökosysteminnovation, indem es regulatorische Maßnahmen zur Abfallreduzierung und Produktlanglebigkeit umsetzt und gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen und Verbrauchern fördert (Ministère de la Transition écologique, 2020). Das Gesetz beinhaltet ein System der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), das Hersteller dazu verpflichtet, den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte – von der Konstruktion bis zur Entsorgung – zu verwalten. Der Erfolg des französischen EPR-Systems hängt von einer engen Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Abfallwirtschaftsunternehmen und Regierungsbehörden ab, was zeigt, wie Ökosysteminnovation systemische Veränderungen unterstützen kann (ADEME, 2017).

Fazit

Systeminnovation und Ökosysteminnovation sind wesentliche Konzepte, um die Kreislaufwirtschaft in Europa zu verstehen und umzusetzen. Systeminnovation treibt die strukturellen Veränderungen voran, die notwendig sind, um Industrien und Sektoren in Richtung Zirkularität zu transformieren, indem Produktions-, Konsum- und Abfallwirtschaftssysteme neu konfiguriert werden. Gleichzeitig fördert Ökosysteminnovation die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren und ermöglicht es, zirkuläre Lösungen sektorübergreifend zu entwickeln und zu skalieren.

Europäische Länder wie die Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden, Deutschland und Frankreich haben gezeigt, wie diese beiden Innovationsformen zusammenarbeiten können, um die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Durch den Aufbau von Kooperationsnetzwerken und die Schaffung unterstützender politischer Rahmenbedingungen führen diese Länder den globalen Übergang zur Kreislaufwirtschaft an. Die Erreichung der Zirkularität erfordert nicht nur technologische und regulatorische Innovationen, sondern auch die Entwicklung kollaborativer Ökosysteme, die langfristige, systemische Veränderungen unterstützen können.

Von Dr. Aina Ndrianjara Andriamanantena

 

References 

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Bocken, N. M. P., de Pauw, I., Bakker, C., & van der Grinten, B. (2016). Product design and business model strategies for a circular economy. Journal of Industrial and Production Engineering, 33(5), 308-320. https://doi.org/10.1080/21681015.2016.1172124 

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Korhonen, J., Nuur, C., Feldmann, A., & Birkie, S. E. (2018). Circular economy as an essentially contested concept. Journal of Cleaner Production, 175, 544-552. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2017.12.111 

Markard, J., Raven, R., & Truffer, B. (2012). Sustainability transitions: An emerging field of research and its prospects. Research Policy, 41(6), 955-967. https://doi.org/10.1016/j.respol.2012.02.013 

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